5 Fragen an Prof. Dr. Christof Weinhardt
Am 24. Januar findet am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) die fünfte Nacht der Wissenschaft statt. Im Vorfeld dazu haben wir mit Prof. Dr. Christof Weinhardt, Professor am Institut für Wirtschaftsinformatik und Marketing (IISM) am KIT und Direktor des Forschungszentrums Informatik (FZI) gesprochen.
Professor Weinhardt, was erwartet die Besucher bei der Nacht der Wissenschaft am 24. Januar?
Prof. Weinhardt: Die Besucher können sich ein Bild davon machen, an welchen Themen aktuell am KIT gearbeitet wird. Im KD2-Labor geben wir einen Einblick in die Top-Themen unseres Instituts. Dazu wird es Vorträge, Demonstrationen, Laborführungen und Experimente geben. Das Thema People Analytics ist ein ganz wichtiges davon und fußt auf einem laufenden gemeinsamen Forschungsprojekt meines Lehrstuhls mit der anacision GmbH – einem jungen Start-Up-Unternehmen aus der Data-Science-Szene. Ziel der anacision ist es, im Bereich Data Analytics mit modernster Technologie – auch aus der Künstlichen Intelligenz – möglichst großen Wert aus Daten für ihre Kunden zu schaffen.
People Analytics, was versteht man darunter?
Prof. Weinhardt: People Analytics umfasst die Analyse der Daten des gesamten Mitarbeiterprozesses. Dieser Prozess beginnt bei der Bewerbung, geht über den Eintritt in den Betrieb und die dortige Weiterentwicklung, z.B. durch Fortbildungen. Der Mitarbeiterprozess endet, wenn der Mitarbeiter wieder aus dem Betrieb ausscheidet. Mit People Analytics sollen datengetriebene Entscheidungen unterstützt werden, die einen Mehrwert für alle Beteiligten haben, also sowohl für Bewerber und Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber.
Was sind momentan die größten Herausforderungen in diesem Bereich?
Prof. Weinhardt: People Analytics ist ein sehr personendatengetriebener Ansatz zur Entscheidungsunterstützung im HR, also in der Personalabteilung. Deshalb ist es hier extrem wichtig, stets eine ethisch akzeptable und zielführende Herangehensweise zu wählen bzw. zu entwickeln. Häufig stellt man fest, dass klassische Verfahren eine Verzerrung für oder gegen eine gewisse Personengruppe aufweisen (z.B. dass Frauen schlechtere Chancen bei Einstellungen haben als Männer) – diese Verzerrung nennen wir Bias. Ein eventuell in den Daten vorhandener Bias muss zunächst aufgedeckt werden und soll durch eine People Analytics-Lösung möglichst nicht verstärkt oder besser reduziert werden.
Eine weitere Herausforderung besteht in der Kommunikation mit den vielen Beteiligten (Stakeholder) in diesem Umfeld, wie z.B. Beschäftigtenvertreter, Betriebsräte und Datenschützer. Sie haben oft widersprüchliche Interessen und stehen der People Analytics oft skeptisch gegenüber, da Mitarbeiterdaten typischerweise sehr sensible Informationen beinhalten, wie etwa Gehalt, Alter, Geschlecht oder Religionszugehörigkeit. Der Datenschutz spielt natürlich eine sehr große Rolle bei der Nutzung dieser Daten. Akzeptable Lösungen für alle Beteiligten zu finden, ist ein wichtiger Beitrag des Projektes, an dem wir mit einem interdisziplinären Team arbeiten.
Sie sind mit dem FZI am Forschungsprojekt „Anonymous Predictive People Analytics“, kurz AnyPPA beteiligt. Wie gehen Sie dort die Herausforderungen der People Analytics an?
Prof. Weinhardt: Wir arbeiten gemeinsam mit Experten aus Forschung und Wirtschaft, unter anderem mit anacision, an Ansätzen der Differential Privacy. Dabei geht es z.B. darum, datenschutzkonforme Anfragen an Datenbanken zu stellen. Damit können dann Analysen durchgeführt werden, die keinen Rückschluss auf den Einzelnen zulassen, aber dennoch dem Anwender hilfreiche Erkenntnisse liefern. Im Zentrum unserer Arbeit steht also immer die Abwägung zwischen Gewährleistung des Datenschutzes und der Nutzbarkeit der Ergebnisse. Differential Privacy ist hier zwar ein vielversprechender Ansatz, aber dennoch keine Standardlösung. Es gibt also noch viel zu erforschen – und auch für die Besucher der Nacht der Wissenschaft einiges zu entdecken: Unter anderem werden wir einen Demonstrator zur Differential Privacy präsentieren, mit dem man dann selbst ein paar Dinge ausprobieren kann.
People Analytics zielt also unter anderem darauf ab, datengetriebene Entscheidungen im Personalbereich zu treffen. Entscheidet dann in fünf Jahren eine KI, ob ich meinen Traumjob bekomme oder nicht?
Prof. Weinhardt: Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Vielmehr wird es so sein, dass KI die Entscheidungsfindung unterstützt, aber am Ende trotzdem ein Mensch entscheidet. Künstliche Intelligenz kann aber, wenn sie verantwortungsvoll angewendet wird, sehr gut dabei helfen, den Entscheidungsprozess zu vereinfachen und am Ende auch fairere Entscheidungen zu treffen.
Lassen Sie mich noch kurz die drei anderen Themen nennen, die wir bei der Nacht der Wissenschaft in unserem Labor vorstellen: Da geht es noch um Biofeedback, d.h. wie wir im Alltag über unseren physiologischen Zustand lernen, und um den Einsatz von Virtual und Augmented Reality bei der Bürgerpartizipation. Schließlich geht es um das Thema Entscheiden – wie können wir Entscheidungsverhalten verstehen und IT-Systeme menschenzentriert gestalten? Alle Themen stammen direkt aus Forschungsprojekten mit unseren Partnern aus Industrie und Wissenschaft.